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28.07.2014

Der Fall Middelhoff. Oder: Woran die deutsche Wirtschaft leidet.

Im Stern wird über eine Aussage des Fahrers des Ex-Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor im Prozess wegen Untreue berichtet. Die sollte ihn wohl entlasten. Daraus geht aber hervor:
  • "Stau war das Schlimmste für ihn".
  • Einmal sei Middelhoff sogar aus dem stehenden Fahrzeug gestiegen, um nach einer Möglichkeit zu suchen, anders ans Ziel zu kommen.
  • Bauarbeiten am Kamener Kreuz hätten zeitweise die Fahrzeiten von Middelhoffs Wohnsitz in Bielefeld zur Firmenzentrale in Essen von knapp zwei Stunden auf bis zu bis zu vier Stunden verlängert.
  • Middelhoff habe diese unkalkulierbaren Reisezeiten als Grund genannt, warum er insgesamt 28 Mal auf Firmenkosten Privatjets und Hubschrauber für die Strecke genutzt habe.
Ich habe nachgeschaut: Mit der Bahn dauert die Fahrt von Bielefeld Hbf nach Essen Hbf 70 Minuten bis 1,5 Stunden, kostet in der ersten Klasse 43,30 Euro.

Ich weiß jetzt, warum es der deutschen Wirtschaft so schlecht geht: Einige Bosse sind einfach nicht in der Lage, vorausschauend sinntragende und ökonomische Alternativen zu bedenken und halten statt dessen unsinnig an Dingen, wie z.B. der Benutzung eines Dienstwagens fest. Und wenn sich das als nicht sinnvoll erweist, dann nehmen die - aber niemals auf eigene Kosten - einen Hubschrapp oder einen Privatjet.

... Und lassen die Arbeitnehmer dafür bluten. Strafbar nur dann, wenn Aktionäre darin Untreue sehen. Ich kann gar nicht wissen, wo und wie deutsche Bosse noch so Geld verschwenden. Aber ich denke, der Fall Middelhoff ist nur ein Rußpartikel auf der Spitze jenes gewaltigen Eisbergs, der in meiner Vorstellung die gesamten, durch Eigensinn und Unfähigkeit der Geschäftsführung bedingten Verluste repräsentiert. Ich meine nicht nur die Verschwendungen, die durch Benutzung von Privatjets und Hubschraubern anfallen - sondern den Unsinn, der durch Nichtbenutzung des Gehirns der Geschäftsführer stattfindet - was zu der Frage führt, wie eigentlich solche Leute überhaupt erst "Boss" werden konnten?

Denn anders als bei den kleinen Angestellten (auf welche die Last des Unsinns so mancher geradezu blöden Entscheidung mancher Konzern"lenker" fällt) scheint da keine vernünftige Auswahl stattzufinden. Ab und an erwischt man beim "Geschäftsführerlotto" (wobei eher nicht gelost, sondern, was noch viel blöder ist, über Beziehungen bestellt wird) offensichtlich einen, der nicht mal in den Fahrplan der Bahn schauen kann (oder will).

Wie der Fall Middelhoff es ja zeigt.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jörg, da bist du total falsch gewickelt!

Wer wichtig ist, wird gefahren. Ob das nun mit Droschke, Daimler oder Hubschrappschrapp passiert ist Wurst. Wichtig ist nur, dass es ein cool aussehendes Fahrzeug mit EINEM Fahrer und EINEM Passagier ist (weil: Sonst wär's ja ne Fahrgemeinschaft).

Und ein so immens wichtiger Mensch wie Herr Middelhoff kann sich nun wirklich nicht mit so inkompetenten Kleingeistern wie der Bahn rumärgern. Da müsste er sich ja an den Fahrplan halten (die Bahn allerdings auch >:-> )

Du siehst also, der gute Mann hat sich vollkommen korrekt verhalten.

. hat gesagt…

"Herr Middelhoff kann sich nun wirklich nicht mit so inkompetenten Kleingeistern wie der Bahn rumärgern."

Nun ja. Ich erinnere mich vage an den begeisterten Bericht eines bekannten Internetaktivisten T.H. (aus dem Pornogeschäft), welcher im ICE der damaligen Bundesjustizministerin begegnete. (Deren einziger Fehler war die Mitgliedschaft in einer Partei, die sich von liberal zu frühkapitalistisch entwickelte...)

Demnach hat der Middelhoff es auch noch versäumt Beziehungen zu knüpfen.

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