Machen Sie sich aber keine falschen Hoffnungen. Die Kunst ist in Deutschland frei - gerade weil wir Erfahrungen mit Bücher- und Bilderverbrennungen haben wissen wir auch, dass es nicht entscheidend ist, ob und wem die Kunstwerke gefallen und haben deswegen die Kunstfreiheit als unverhandelbares Grundrecht in der Verfassung stehen.
Wie ich lese verlangen Sie auch eine zivilrechtliche Unterlassung. Nun, ich schließe nicht aus, dass Sie bei einem der zahlreichen, entweder dämlichen oder die Gesetze und/oder die Tatsachen aus Dummheit oder Faulheit missachtenden Landrichter der Pressekammern in Köln, Kassel, Berlin, Hamburg, Marburg, Mönchengladbach, oder meinetwegen sogar Mainz einstweilig (also für kurze Zeit) einen Erfolg feiern könnten. Ich schließe aber definitiv aus, dass der Erfolg Bestand haben wird. Denn dafür, dass wir manchen Richter haben, mit dessen Rechtsreue und Rechtskenntnis Sie es durchaus aufnehmen können, haben wir den Rechtsweg und der endet vor dem Verfassungsgericht und spätestens dieses wird so entscheiden wie ich vorausgesagt habe: Also für die Kunstfreiheit.
Wie ich gelesen habe, haben Sie, Herr Numan Kurtulmuş behauptet, das Gedicht sei nicht nur eine Beleidigung des Herrn Erdoğan, sondern aller 78 Millionen Türken. An dieser Zahl habe ich Zweifel, denn ich denke die zahlenmäßig nicht zu verachtende Opposition war zwar vorsichtshalber zum Lachen im Keller, darf aber trotzdem nicht ignoriert werden. Auch die Vielzahl von Verfahren wegen "Beleidigung" des Herrn Erdoğan beweist doch, dass Sie bei dieser Äußerung bei weitem nicht alle 78 Mio "Türken" (inkl. Kurden und Armeniern) hinter sich haben. Eher einen Bruchteil.
Kommen wir zu Ihren weiteren Äußerungen:
- Ein "schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit" war sehr viel mehr der Genozid an den Armeniern - eine Tat zu der sich die Türkei bis heute nicht bekennt.
- "Alle Grenzen der Schamlosigkeit übertroffen" hat bisher die Weigerung der Türkei, dieses echte Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuerkennen, die Verantwortung symbolisch zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass sowas nicht nochmal vorkommt. Wozu gehört, sich mit den Kurden zu einigen, statt diese ständig vor den Kopf zu stoßen.
Alles andere würde in Deutschland den Rechtsstaat in Frage stellen - und ergo die Eliten vor den Kopf stoßen. Und davor hat die Frau Merkel mehr "Bammel" als vor einem Dissens mit einem zeitweiligen Machthaber der Türkei. Das deutsche Grundgesetz und also die Kunstfreiheit gilt seit dem 23. Mai 1949. Das sind 67 Jahre. Dagegen wird sich die Zeit, die der Herr Erdogan Präsident der Türken ist, sehr kurz ausnehmen.
Das Ergebnis der von der türkischen Regierung angestrengten Verfahren wird also sein, dass die türkische Opposition noch mal zum Lachen in den Keller geht und dass der Präsident Erdoğan genau darüber nicht lachen wird. Was danach kommt wird wohl sein, dass es jedenfalls während seiner Präsidentschaft zu keiner Annäherung an die EU kommen kann, weil man einen derartigen "Musterdemokraten" wie den Herrn Präsidenten Erdoğan, der viel von dem modernen Staat kaputt macht, den Mustafa Kemal Atatürk einst den Türken brachte, den Europäern nicht zumuten kann.
Das Verfahren wird sich hinziehen und immer wieder für Berichte sorgen, die dem Herrn Erdoğan und also dem Ansehen der Türkei nicht gut tun. Es dürfte hingegen nur sehr kurz weh tun, den aussichtslosen und für die Türkei schädlichen Antrag zurückzunehmen ...
P.S.:
Unser GröFaZ ("Größter Führer aller Zeiten") herrschte 12 Jahre, er war auch sehr empfindlich und Deutschland lag danach in Trümmern. Das war auch das Arschloch das erst Bücher und Bilder und dann Juden verbrennen ließ - weshalb wir Deutschen (jedenfalls in der NPD- und AFD-fernen Gesamtheit und also jeder mit einem IQ über 80) so peinlich auf die Kunstfreiheit achten.
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