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23.11.2012

OLG München: Double-Opt-In - Bestätigungsmail ist Spam


Den Günter Freiherr von Gravenreuth (geb. Dörr) hätte das gefreut. Der hat in seinen letzten fünf Lebensjahren vor seinem Selbstmord nur für den Zoff mit mir und praktisch fast nur von solchen Abmahnungen gelebt. Wie er das gemacht hat, kann man hier nachlesen - denn er war nicht der einzige.

Double-Opt-In Verfahren ist der Stand der Dinge

Es ist das derzeit in Deutschland übliche Verfahren: Der Interessent eines Newsletters trägt sich auf der Webseite des Anbieters mit seiner Mailadresse ein. Das Programm nimmt die Mailadresse entgegen und generiert eine (werbefreie!) Mail, in der sich neben einem erläuternden Text ein Link befindet. Auf den Link solle geklickt werden, wenn der Empfänger den Newsletter tatsächlich empfangen will. Klickt der Empfänger auf den Link, dann wird auf dem Webserver des Anbieters oder dessen Dienstleisters eine Aktion ausgeführt, bei der der die nunmehr bestätigte Adresse in der Datenbank als eine Adresse registriert wird, an welche der Newsletter gesendet werden soll. Viele Anbieter bieten weiter eine Funktion an, dass beim Klick auf einen anderen Link in der Nachricht die Mailadresse gesperrt wird. In der Regel wird diese dann als "hash" (einer nicht umkehrbaren "Verschlüsselung") gespeichert und jedes Mal wenn eine Adresse  eingegeben wird, dass wird ebenfalls dieser Hash gebildet und mit den gespeicherten "hashes" verglichen. Stimmt der "hash" also mit einem gespeicherten "hash" überein, dann wird auf die Eingabe der also gesperrten Adresse mit der Meldung reagiert, dass man sich schriftlich anmelden solle, da die Adresse gesperrt ist. Durch das "hashen" der Adressen soll der Datenschutz eingehalten werden - das ist auch sinnvoll.

Spätestens seit der Sache Gravenreuth ./. Taz vor dem gewiss nicht mit Verboten zurückhaltendem LG Berlin (Az. 15 O 346/06) ist auch klar, dass das in der werbfreien(!) Benachrichtigung ein Text dabei stehen sollte, der dem Empfänger mitteilt, dass er NICHTS tun muss, wenn er den Newsletter NICHT empfangen will. Das LG Berlin hat dazu sozusagend lobend ausgeführt. Es ist nämlich nicht ungewöhnlich, dass Stalker die Mailadressen ihrer Opfer in solche Formulare eintragen. Mir selbst erging das in Konflikten mit kriminellem Pack mehrfach so. Als "Opfer" mehrerer solcher Attacken kann ich sagen, dass die Beeinträchtigung für mich eine sehr geringe war: Die [Umschalt] und die [Entf] - Taste ist schnell gedrückt. Das macht nicht mal ein Geräusch wie *plonk*.

Ich bedaure die "geistig armen Suppen" die mit großem Aufwand eine allenfalls unbeträchtliche Störung verursachten!

Gravenreuth nahm seine Berufung gegen das obige Urteil vor dem KG (=OLG) Berlin zurück. Das Kammergericht (=Oberlandesgericht) hatte durchblicken lassen, dass es an der Entscheidung des Landgerichts nichts auszusetzen habe.

Bisher nahmen viele aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs  vom 11.3.2004 (Az. I ZR 81/01) heraus an, dass das Double-Opt-In-Verfahren geeignet sei um das Einverständnis zum Empfang eines Newsletter einzuholen. Das mir durchaus vernünftig erscheinende Verfahren galt auch als rechtssicher. 

Doch dem ist nicht ganz so!

Der BGH hatte über die Zulässigkeit dieser werbefreien(!)  Benachrichtigung nicht entschieden, sondern in der besagten Entscheidung sogar ausgeführt:
"Nicht entscheidend ist dagegen, daß die Beklagte nach ihrer Darstellung im allgemeinen ihren Rundbrief nicht unverlangt versendet. Denn die Beklagte darf den Rundbrief mittels E-Mail nur dann verschicken, wenn die Voraussetzungen hierfür in der Person des jeweiligen Empfängers vorliegen. Dabei hat sie durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß es nicht zu fehlerhaften Zusendungen kommt, etwa aufgrund unrichtiger Eingabe oder Speicherung von E-Mail-Adressen."
Auf die Zulässigkeit der Opt-In-Benachrichtigung wurde wohl von vielen aus folgender Passage geschlossen:
"Die unerbetene E-Mail-Werbung ist regelmäßig gemäß § 1 UWG unzulässig. Deshalb hat die Beklagte (als Verletzer) diejenigen Umstände darzulegen und zu beweisen, die den rechtsbegründenden Tatsachen ihre Bedeutung nehmen. Zu diesen gehört bei E-Mail-Werbung das die Wettbewerbswidrigkeit ausschließende Einverständnis."

(Zitate zum besseren Verständnis um Verweise zu anderen Urteilen oder Aufsätzen gekürzt).
OLG München: Double-Opt-In - Bestätigungsmail ist Spam

Das OLG München hat jetzt schon in der zum Verfahren gehörenden Opt-In-Benachrichtigung eine Werbung gesehen - nämlich für den Bezug des Newsletters selbst, der ja selbst eine Maßnahme der Kundenbindung - und ergo Werbung darstellt. (Urteil vom 27.09.2012, Az. 29 U 1682/12)

Neue Rechtsunsicherheit durch divergierendes Urteil

Damit hat es nicht ganz Unrecht, wenn man das BGH-Urteil und das Gesetz äußerst streng auslegt kann man dem Gericht darin sogar ruhigen Gewissens folgen. Die sich auf Grund der Auslegung der Rechtsprechung des BGH ausgebildete gegenwärtige Sitte ist aber eine andere und das Urteil schafft eine neue Rechtsunsicherheit: Denn was in Berlin erlaubt ist, das ist im Bezirk des OLG München nun verboten und nach der legeren Auslegung von § 32 ZPO und § 14 UWG durch einige Gerichte (die geradezu mit goldenen Lettern auf purpurfarbenen Karten zum Gerichtstourismus einladen - beispielsweise die deshalb überlasteten LG Köln, LG Hamburg, LG Berlin) lassen jetzt auch vor dem LG München eine Klagewelle befürchten.

Da aber offenbar auch dem OLG München die zu vielen anderen Gerichten divergierende Rechtsprechung aufgefallen ist hat es die Revision zum BGH zugelassen.

Der BGH wird sich wohl umfassend mit den Sachverhalten befassen müssen. Bisher ging der BGH von folgender Sachlage aus:
"Für den Empfang der E-Mail muß eine Online-Verbindung zum Provider hergestellt werden, für die Telefongebühren und, falls nicht ein festes Entgelt vereinbart ist, eine Nutzungsgebühr für den Provider anfallen. Hinzu kommt der Arbeitsaufwand, der mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails verbunden ist. Zwar sind die Kosten für den Bezug einer einzelnen E-Mail gering. Gleiches gilt für den mit dem Löschen einer E-Mail verbundenen Zeitaufwand, wenn bereits aus der Angabe im "Betreff" der E-Mail ersichtlich ist, daß es sich um Werbung handelt und deshalb eine nähere Befassung mit der E-Mail nicht erforderlich ist. Diese Beurteilung fällt jedoch bei einer größeren Anzahl unerbetener E-Mails ganz anders aus.

In der Rechtsprechung ist die unverlangte Zusendung von E-Mails mit Werbung daher ganz überwiegend unter dem Gesichtspunkt belästigender Werbung zu Recht als unzulässig angesehen worden."
Tatsächlich Werbung?

Diese Sachdarstellung ist, was die technische Seite betrifft, im Zeitalter schneller DSL- oder Kabel-Anschlüsse weitgehend (nicht jeder hat so einen) überkommen. Zudem wird sich der BGH mit der Frage beschäftigen müssen, ob er der strengen Ansicht des OLG München folgt, wonach dieses Mail mit der Bitte um eine Bestätigung tatsächlich Werbung ist.

Das ist nämlich zweifelhaft, weil ja damit gerade die Bestätigung für die Richtigkeit der vermeintlichen Bestellung eingeholt wird. Das kann man nämlich sehr wohl als eine Benachrichtigung auffassen, da jemand die Mailadresse des Eigentümers verwendet hat und wäre insoweit durchaus gerechtfertigt. Zudem dürfte sich der Missbrauch durch Stalker in Grenzen halten und die Frage, wie denn nun die Richtigkeit einer Mailadresse einerseits und die (vermeintliche) Willenserklärung zum Empfang eines Newsletters andererseits eingeholt werden soll ist bisher tatsächlich unklar. Alle anderen Wege erfordern die (von vielen nicht grundlos als zu vermeidend angesehene) Angabe weiterer persönlicher Daten (Postadresse) und einen Postversand - wären insofern auch langsamer, teurer und sogar belastender für beide Seiten. Die Belästigung durch Stalking gehört in gewisser Weise auch zum allgemeinen Lebensrisko und es ist nicht einsehbar, warum Dritten - hier den Anbietern von Newslettern - ein unverhältnismäßiger Aufwand zugemutet werden soll, diese zu vermeiden. Auch deshalb ging eben die Mehrheit - nicht grundlos - davon aus, dass das Double-Opt-In-Verfahren dazu geeignet und rechtlich sicher ist. Ich würde mich dieser Mehrheit anschließen und ich glaube der BGH wird das auch tun. Bisher wirkte der auf mich nämlich eher vernünftig.

Insofern wundere ich mich nicht, das der Münchner Rechtsanwalt Jan Lennart Müller als Sinnbild zu einem Artikel über dieses Urteil eines solches gewählt hat, dass ihn zeigt, wie er sich selbst die Haare rauft.

Im Name des Volkes!

Als ein kleines Element der Menge "des deutschen Volkes", in dessen Name Urteile gesprochen werden, fasse ich meine Meinung zusammen:

Der BGH sollte das  Double-Opt-In-Verfahren als zulässig bestätigen.


Nachtrag

Ich war an dem Verfahren weder als Partei noch als Berater, noch als Gutachter, Zeuge oder sonstwas beteiligt. Ich erfuhr davon aus einem Newsletter der "IT-Recht-Kanzlei München" - den ich just per Double-Opt-In-Verfahren bestellte - ohne die Kanzlei danach zu verklagen.

Manche tun ja sowas. Ich denke aber die sind geistig krank, kriminell oder (wie der Gravenreuth) beides. Dessen Lebensunterhalt hätte dieses Urteil - so es nur ein paar Jahre früher gefällt worden wäre - nämlich eine Weile lang gesichert. Und dem Münchner Gauner, der sonst gegen mich (aus Kassel) gern in Hamburg klagte, wäre nicht mal Gerichtstourismus vorzuwerfen gewesen.

Aber ich biete keinen Newsletter an. Nur werde ich Kunden, die ein solches Programm wünschen, auf das juristische Risiko, in München böse und teuer verklagt zu werden, hinweisen müssen. Insofern und soweit ist das Münchner Urteil auch für mich bitter.

2 Kommentare:

Hilfshirn hat gesagt…

Deine Schlussfolgerungen wären richtig, wenn nicht die Aufforderungsmail zum Bezug des Newsletters unaufgefordert zugegangen wäre. Erst mit dieser Mail wurde das DOI-Verfahren ausgelöst. Anders sieht es aus, wenn man einen News-Letter abfordert.

. hat gesagt…

"wenn nicht die Aufforderungsmail zum Bezug des Newsletters unaufgefordert zugegangen wäre"

Das ist das, was der Antragsteller oder Kläger behauptet. Im Text der IT-Kanzlei steht dazu:

"Interessant ist ferner, dass der Versender die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung zu tragen hat, wenn der Empfänger bestreitet, sich in die Bestellliste für den Newsletterbezug eingetragen zu haben. Genau diese Einwilligung ist die Beklagte allerdings schuldig geblieben, die Beklagte hatte nämlich lediglich behauptet, dass sich die Klägerin auf der Internetseite der Beklagten unter Angabe ihrer E-Mail-Adresse für das Newsletter-Abonnement angemeldet habe. Dies genügt nicht, um eine Einwilligung der Beklagten zu beweisen."

Es ist praktisch unmöglich diesen Beweis zu erbringen, es sei denn das Internet wird stasimäßig überwacht und jeder hat Zugriff auf die durch die Überwachung erlangten Daten. Selbst dann hätte man aber nur den Datenverkehr zwischen den Rechnern und könnte noch nicht beweisen, wer den bedient hat... Also noch eine Kamera die bei jedem Tastendruck ein Foto macht und das dann in einer öffentlichen Datenbank speichert?

Alles nicht praktikabel... außerdem wissen wir nicht, ob das Gericht den möglichen und wahrscheinlichen Vortrag, die Eintragung sei über die IP-Adresse soundso erfolgt nicht als unerheblich ignorierte, da damit noch nicht bewiesen war, wer denn nun die Eintragung vornahm.

Wenn wir keine keine Vorratsdatenspeicherung wollen, dann müssen wir mit dem Risiko legen auch mal ein unerwünschtes Mail zu bekommen. Wollen wir immer den Versender des unerwünschten Mails fest stellen können, dann müssen wir mit einer Vorratsdatenspeicherung und Zugriffsmöglichkeiten auf diese Daten leben, die weit jenseits dessen liegen, was wir im Hinblick auf Privatsphäre und Postgeheimnis hinnehmen wollen und sogar weit darüber hinaus gehen, was die verrücktesten Innenminister in nicht mehr feuchten sondern schon nassen Träumen an Vorstellungen entwickeln.



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