03.01.2025

„Leistungssport ist kein Ponyhof!“
Oder: Warum ich froh war, dass mich die DHFK nicht genommen hat.

Derzeit gibt es wieder üble Berichte aus dem Leistungssport, betroffen ist das Turnen. Um das klar zu stellen: Ich stehe auf der Seite der betroffenen Sportler und Sportlerinnen.

Zur Einführung: In der DDR waren Sportschulen etwas ganz anderes als heute darunter versteht. Die Sportschüler waren interniert, hatten täglich mehrere Stunden Training und der Unterricht in Schulfächern fand in einer Klassengröße von etwa 10 Schülern statt. Freizeit gab es an Wochenden. Den Sportschülern (je nach Sportart ab dem 7. bis 14. Lebensjahr) wurde gnädig erlaubt mit den Eltern ein oder zweimal im Jahr Urlaub zu machen.

Es mag das Jahr 1977 gewesen sein, als ich zusammen mit etwa 200 Judokas aus den Trainingszentren an der der damals in der DDR im Bereich Judo bei der noch an die DHFK angeschlossene Kinder- und Jugensportschule in Leipzig an der Aufnahmeprüfung teilgenommen habe. Wer dort genommen wurde war dann potentiell Weltmeister oder Olympiasieger und wegen der damit verbundenen Reisen in den „bösen“ Westen zählten dann letztendlich nicht nur sportliche Leistungen. Die Aufnahmeprüfung dauerte 3 Tage, war richtig hart[¹] und hatte, was mich betrifft, folgendes Ergebnis: Ich wurde, weil ich im Hinblick auf die sportlichen Leistungen nicht der beste Kandidat von den ca. 40 Teilnehmern in meiner Gewichtsklasse war, nicht angenommen und war darüber zunächst recht traurig. Was sich aber bald änderte.

Es war zwei Jahre später, als ich bei einem „internationalen“ (nur „Ostblock“) Tournier[²] in Cottbus auf der Matte just demjenigen gegenüberstand, der statt meiner genommen wurde. Der Kampf dauerte etwa 10 Sekunden. Kurzbeschreibung: Der wohl von jeder rational denkenden Person bei einer Sportwette aus formalen Gründen (ich hatte nur noch ein-  oder zwei Mal 90 Minuten Training pro Woche) auf „Gewinner“ gesetzte Gegner (er war ja geförderter Profi, ich nur „Spaßjudoka“) versuchte einen Wurf, der ihm gründlich misslang. Am Boden - wo mir seinerzeit „keiner was konnte“ - musste ich „nur zugreifen“, mir gelang also unmittelbar ein „so sauberer wie böser“, sehr schnell wirkender Würgegriff[³], der zum sofortigem „technischen K.O.“ führte (der Griff wurde „Ippon“ gewertet, der Kampf also abgebrochen). Der Sportschüler schied damit schon in der Vorrunde aus, ich war als Gruppenerster im Viertelfinale.

Warum ich froh war (oder bin), dass mich die DHFK nicht genommen hat.

Nach dem er (wiewohl mir wahrscheinlich hinsichtlich Kraft und Technik überlegen) durch einen dummen Fehler so blamierend schnell und zugegebenermaßen brutal verloren hatte, wurde der arme Kerl so umgehend wie notlos von seinem Trainer auch noch verbal „zusammengefaltet“ - was ich im Hinblick auf den „Ton“, Gesichtsausdruck und dessen Wortwahl „Du Lusche!“ und „Pflaume“  als „übel“ ansehe. Das ging soweit, das er „mental zusammenbrach“.  Solchen Psychoterror hätten meine Trainer niemals ausgeübt - und deshalb war ich von einem Augenblick auf den anderen richtig froh, dass sich die DHFK gegen mich entschieden hatte und hätte niemals wieder mit ihm tauschen wollen.

Ich empfand den Umgang des Trainers mit seinem Schützling damals als so unfassbar miese psychologische Prügel, dass ich bis heute den Standpunkt vertrete, das der Leistungssport kein Gesundbrunnen für die Psyche junger Menschen ist. Dies, weil ab einem bestimmten Punkt (in der DDR war das die Aufnahme an einer Sportschule) ganz oft nicht mehr der Mensch im Mittelpunkt des Interesses von Trainern und sonstigen Beteiligten steht, sondern die Leistung. 

An der DHFK-Sportschule ging es damals darum, „auf Teufel komm raus“ Weltmeister und Olympiasieger „zu Ehren der DDR“ heranzuziehen. Heute geht es beim Leistungssport um Geld.

Was ist verwerflicher?

Ich weiß es nicht.

¹) Ich kam ziemlich ramponiert zurück. Hatte sogar Verbrennungen an beiden Unterschenkeln und den Handflächen, weil ich die vier Meter bei Seilklettern  (abwärts) mehr oder weniger im freien Fall zurücklegte und erst am Seilende abbremste - gemessen wurde die Gesamtzeit (hoch und runter). Schürfwunden hatte ich am ganzen Körper und ja: Ich hab am Tag danach in der Schule mit einiger Berechtigung gesagt, man solle sich (bevor man über die Ramponierung meiner Person lacht) erst mal die Gegner anschauen... die wollten nämlich auch auf die Sportschule.

²) Die Sorte Tournier, die veranstaltet wurde um den Sportschülern Kampferfahrung und Siege zu verschaffen. z.B. wurden beim Wiegen insofern manipuliert und vom Kampfgericht akzeptiert, dass die Sportschulen ihre Judokas beim Wiegen in einer Weise einreihen konnten, von der sie sich im Hinblick auf die aus der Wiegeliste folgende Verteilung auf die Vorrundengruppen Vorteile erhofften.

³) inwischen wohl besser bekannt als „Rear Naked Choke“. Im auf das Zuschauer-Interesse ausgerichteten, das Auge bedienenden  (und mir keinen Spaß mehr machenden) Wettkampf-Judo ist der inzwischen wohl wegen Verletzungsgefahr verboten.


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