Den GĂŒnter Freiherr von Gravenreuth (geb. Dörr) hĂ€tte das gefreut. Der hat in seinen letzten fĂŒnf Lebensjahren vor seinem Selbstmord nur fĂŒr den Zoff mit mir und praktisch fast nur von solchen Abmahnungen gelebt. Wie er das gemacht hat, kann man hier nachlesen - denn er war nicht der einzige.
Double-Opt-In Verfahren ist der Stand der Dinge
Es ist das derzeit in Deutschland ĂŒbliche Verfahren: Der Interessent eines Newsletters trĂ€gt sich auf der Webseite des Anbieters mit seiner Mailadresse ein. Das Programm nimmt die Mailadresse entgegen und generiert eine (werbefreie!) Mail, in der sich neben einem erlĂ€uternden Text ein Link befindet. Auf den Link solle geklickt werden, wenn der EmpfĂ€nger den Newsletter tatsĂ€chlich empfangen will. Klickt der EmpfĂ€nger auf den Link, dann wird auf dem Webserver des Anbieters oder dessen Dienstleisters eine Aktion ausgefĂŒhrt, bei der der die nunmehr bestĂ€tigte Adresse in der Datenbank als eine Adresse registriert wird, an welche der Newsletter gesendet werden soll. Viele Anbieter bieten weiter eine Funktion an, dass beim Klick auf einen anderen Link in der Nachricht die Mailadresse gesperrt wird. In der Regel wird diese dann als "hash" (einer nicht umkehrbaren "VerschlĂŒsselung") gespeichert und jedes Mal wenn eine Adresse eingegeben wird, dass wird ebenfalls dieser Hash gebildet und mit den gespeicherten "hashes" verglichen. Stimmt der "hash" also mit einem gespeicherten "hash" ĂŒberein, dann wird auf die Eingabe der also gesperrten Adresse mit der Meldung reagiert, dass man sich schriftlich anmelden solle, da die Adresse gesperrt ist. Durch das "hashen" der Adressen soll der Datenschutz eingehalten werden - das ist auch sinnvoll.
SpĂ€testens seit der Sache Gravenreuth ./. Taz vor dem gewiss nicht mit Verboten zurĂŒckhaltendem LG Berlin (Az. 15 O 346/06) ist auch klar, dass das in der werbfreien(!) Benachrichtigung ein Text dabei stehen sollte, der dem EmpfĂ€nger mitteilt, dass er NICHTS tun muss, wenn er den Newsletter NICHT empfangen will. Das LG Berlin hat dazu sozusagend lobend ausgefĂŒhrt. Es ist nĂ€mlich nicht ungewöhnlich, dass Stalker die Mailadressen ihrer Opfer in solche Formulare eintragen. Mir selbst erging das in Konflikten mit kriminellem Pack mehrfach so. Als "Opfer" mehrerer solcher Attacken kann ich sagen, dass die BeeintrĂ€chtigung fĂŒr mich eine sehr geringe war: Die [Umschalt] und die [Entf] - Taste ist schnell gedrĂŒckt. Das macht nicht mal ein GerĂ€usch wie *plonk*.
Ich bedaure die "geistig armen Suppen" die mit groĂem Aufwand eine allenfalls unbetrĂ€chtliche Störung verursachten!
Gravenreuth nahm seine Berufung gegen das obige Urteil vor dem KG (=OLG) Berlin zurĂŒck. Das Kammergericht (=Oberlandesgericht) hatte durchblicken lassen, dass es an der Entscheidung des Landgerichts nichts auszusetzen habe.
Bisher nahmen viele aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.3.2004 (Az. I ZR 81/01) heraus an, dass das Double-Opt-In-Verfahren geeignet sei um das EinverstĂ€ndnis zum Empfang eines Newsletter einzuholen. Das mir durchaus vernĂŒnftig erscheinende Verfahren galt auch als rechtssicher.
Doch dem ist nicht ganz so!
Der BGH hatte ĂŒber die ZulĂ€ssigkeit dieser werbefreien(!) Benachrichtigung nicht entschieden, sondern in der besagten Entscheidung sogar ausgefĂŒhrt:
"Nicht entscheidend ist dagegen, daĂ die Beklagte nach ihrer Darstellung im allgemeinen ihren Rundbrief nicht unverlangt versendet. Denn die Beklagte darf den Rundbrief mittels E-Mail nur dann verschicken, wenn die Voraussetzungen hierfĂŒr in der Person des jeweiligen EmpfĂ€ngers vorliegen. Dabei hat sie durch geeignete MaĂnahmen sicherzustellen, daĂ es nicht zu fehlerhaften Zusendungen kommt, etwa aufgrund unrichtiger Eingabe oder Speicherung von E-Mail-Adressen."Auf die ZulĂ€ssigkeit der Opt-In-Benachrichtigung wurde wohl von vielen aus folgender Passage geschlossen:
"Die unerbetene E-Mail-Werbung ist regelmĂ€Ăig gemÀà § 1 UWG unzulĂ€ssig. Deshalb hat die Beklagte (als Verletzer) diejenigen UmstĂ€nde darzulegen und zu beweisen, die den rechtsbegrĂŒndenden Tatsachen ihre Bedeutung nehmen. Zu diesen gehört bei E-Mail-Werbung das die Wettbewerbswidrigkeit ausschlieĂende EinverstĂ€ndnis."OLG MĂŒnchen: Double-Opt-In - BestĂ€tigungsmail ist Spam
(Zitate zum besseren VerstĂ€ndnis um Verweise zu anderen Urteilen oder AufsĂ€tzen gekĂŒrzt).
Das OLG MĂŒnchen hat jetzt schon in der zum Verfahren gehörenden Opt-In-Benachrichtigung eine Werbung gesehen - nĂ€mlich fĂŒr den Bezug des Newsletters selbst, der ja selbst eine MaĂnahme der Kundenbindung - und ergo Werbung darstellt. (Urteil vom 27.09.2012, Az. 29 U 1682/12)
Neue Rechtsunsicherheit durch divergierendes Urteil
Damit hat es nicht ganz Unrecht, wenn man das BGH-Urteil und das Gesetz Ă€uĂerst streng auslegt kann man dem Gericht darin sogar ruhigen Gewissens folgen. Die sich auf Grund der Auslegung der Rechtsprechung des BGH ausgebildete gegenwĂ€rtige Sitte ist aber eine andere und das Urteil schafft eine neue Rechtsunsicherheit: Denn was in Berlin erlaubt ist, das ist im Bezirk des OLG MĂŒnchen nun verboten und nach der legeren Auslegung von § 32 ZPO und § 14 UWG durch einige Gerichte (die geradezu mit goldenen Lettern auf purpurfarbenen Karten zum Gerichtstourismus einladen - beispielsweise die deshalb ĂŒberlasteten LG Köln, LG Hamburg, LG Berlin) lassen jetzt auch vor dem LG MĂŒnchen eine Klagewelle befĂŒrchten.
Da aber offenbar auch dem OLG MĂŒnchen die zu vielen anderen Gerichten divergierende Rechtsprechung aufgefallen ist hat es die Revision zum BGH zugelassen.
Der BGH wird sich wohl umfassend mit den Sachverhalten befassen mĂŒssen. Bisher ging der BGH von folgender Sachlage aus:
"FĂŒr den Empfang der E-Mail muĂ eine Online-Verbindung zum Provider hergestellt werden, fĂŒr die TelefongebĂŒhren und, falls nicht ein festes Entgelt vereinbart ist, eine NutzungsgebĂŒhr fĂŒr den Provider anfallen. Hinzu kommt der Arbeitsaufwand, der mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails verbunden ist. Zwar sind die Kosten fĂŒr den Bezug einer einzelnen E-Mail gering. Gleiches gilt fĂŒr den mit dem Löschen einer E-Mail verbundenen Zeitaufwand, wenn bereits aus der Angabe im "Betreff" der E-Mail ersichtlich ist, daĂ es sich um Werbung handelt und deshalb eine nĂ€here Befassung mit der E-Mail nicht erforderlich ist. Diese Beurteilung fĂ€llt jedoch bei einer gröĂeren Anzahl unerbetener E-Mails ganz anders aus.TatsĂ€chlich Werbung?
In der Rechtsprechung ist die unverlangte Zusendung von E-Mails mit Werbung daher ganz ĂŒberwiegend unter dem Gesichtspunkt belĂ€stigender Werbung zu Recht als unzulĂ€ssig angesehen worden."
Diese Sachdarstellung ist, was die technische Seite betrifft, im Zeitalter schneller DSL- oder Kabel-AnschlĂŒsse weitgehend (nicht jeder hat so einen) ĂŒberkommen. Zudem wird sich der BGH mit der Frage beschĂ€ftigen mĂŒssen, ob er der strengen Ansicht des OLG MĂŒnchen folgt, wonach dieses Mail mit der Bitte um eine BestĂ€tigung tatsĂ€chlich Werbung ist.
Das ist nĂ€mlich zweifelhaft, weil ja damit gerade die BestĂ€tigung fĂŒr die Richtigkeit der vermeintlichen Bestellung eingeholt wird. Das kann man nĂ€mlich sehr wohl als eine Benachrichtigung auffassen, da jemand die Mailadresse des EigentĂŒmers verwendet hat und wĂ€re insoweit durchaus gerechtfertigt. Zudem dĂŒrfte sich der Missbrauch durch Stalker in Grenzen halten und die Frage, wie denn nun die Richtigkeit einer Mailadresse einerseits und die (vermeintliche) WillenserklĂ€rung zum Empfang eines Newsletters andererseits eingeholt werden soll ist bisher tatsĂ€chlich unklar. Alle anderen Wege erfordern die (von vielen nicht grundlos als zu vermeidend angesehene) Angabe weiterer persönlicher Daten (Postadresse) und einen Postversand - wĂ€ren insofern auch langsamer, teurer und sogar belastender fĂŒr beide Seiten. Die BelĂ€stigung durch Stalking gehört in gewisser Weise auch zum allgemeinen Lebensrisko und es ist nicht einsehbar, warum Dritten - hier den Anbietern von Newslettern - ein unverhĂ€ltnismĂ€Ăiger Aufwand zugemutet werden soll, diese zu vermeiden. Auch deshalb ging eben die Mehrheit - nicht grundlos - davon aus, dass das Double-Opt-In-Verfahren dazu geeignet und rechtlich sicher ist. Ich wĂŒrde mich dieser Mehrheit anschlieĂen und ich glaube der BGH wird das auch tun. Bisher wirkte der auf mich nĂ€mlich eher vernĂŒnftig.
Insofern wundere ich mich nicht, das der MĂŒnchner Rechtsanwalt Jan Lennart MĂŒller als Sinnbild zu einem Artikel ĂŒber dieses Urteil eines solches gewĂ€hlt hat, dass ihn zeigt, wie er sich selbst die Haare rauft.
Im Name des Volkes!
Als ein kleines Element der Menge "des deutschen Volkes", in dessen Name Urteile gesprochen werden, fasse ich meine Meinung zusammen:
Der BGH sollte das Double-Opt-In-Verfahren als zulÀssig bestÀtigen.
Nachtrag
Ich war an dem Verfahren weder als Partei noch als Berater, noch als Gutachter, Zeuge oder sonstwas beteiligt. Ich erfuhr davon aus einem Newsletter der "IT-Recht-Kanzlei MĂŒnchen" - den ich just per Double-Opt-In-Verfahren bestellte - ohne die Kanzlei danach zu verklagen.
Manche tun ja sowas. Ich denke aber die sind geistig krank, kriminell oder (wie der Gravenreuth) beides. Dessen Lebensunterhalt hĂ€tte dieses Urteil - so es nur ein paar Jahre frĂŒher gefĂ€llt worden wĂ€re - nĂ€mlich eine Weile lang gesichert. Und dem MĂŒnchner Gauner, der sonst gegen mich (aus Kassel) gern in Hamburg klagte, wĂ€re nicht mal Gerichtstourismus vorzuwerfen gewesen.
Aber ich biete keinen Newsletter an. Nur werde ich Kunden, die ein solches Programm wĂŒnschen, auf das juristische Risiko, in MĂŒnchen böse und teuer verklagt zu werden, hinweisen mĂŒssen. Insofern und soweit ist das MĂŒnchner Urteil auch fĂŒr mich bitter.
2 Kommentare:
Deine Schlussfolgerungen wÀren richtig, wenn nicht die Aufforderungsmail zum Bezug des Newsletters unaufgefordert zugegangen wÀre. Erst mit dieser Mail wurde das DOI-Verfahren ausgelöst. Anders sieht es aus, wenn man einen News-Letter abfordert.
"wenn nicht die Aufforderungsmail zum Bezug des Newsletters unaufgefordert zugegangen wÀre"
Das ist das, was der Antragsteller oder KlÀger behauptet. Im Text der IT-Kanzlei steht dazu:
"Interessant ist ferner, dass der Versender die Darlegungs- und Beweislast fĂŒr das Vorliegen einer ausdrĂŒcklichen Einwilligung zu tragen hat, wenn der EmpfĂ€nger bestreitet, sich in die Bestellliste fĂŒr den Newsletterbezug eingetragen zu haben. Genau diese Einwilligung ist die Beklagte allerdings schuldig geblieben, die Beklagte hatte nĂ€mlich lediglich behauptet, dass sich die KlĂ€gerin auf der Internetseite der Beklagten unter Angabe ihrer E-Mail-Adresse fĂŒr das Newsletter-Abonnement angemeldet habe. Dies genĂŒgt nicht, um eine Einwilligung der Beklagten zu beweisen."
Es ist praktisch unmöglich diesen Beweis zu erbringen, es sei denn das Internet wird stasimĂ€Ăig ĂŒberwacht und jeder hat Zugriff auf die durch die Ăberwachung erlangten Daten. Selbst dann hĂ€tte man aber nur den Datenverkehr zwischen den Rechnern und könnte noch nicht beweisen, wer den bedient hat... Also noch eine Kamera die bei jedem Tastendruck ein Foto macht und das dann in einer öffentlichen Datenbank speichert?
Alles nicht praktikabel... auĂerdem wissen wir nicht, ob das Gericht den möglichen und wahrscheinlichen Vortrag, die Eintragung sei ĂŒber die IP-Adresse soundso erfolgt nicht als unerheblich ignorierte, da damit noch nicht bewiesen war, wer denn nun die Eintragung vornahm.
Wenn wir keine keine Vorratsdatenspeicherung wollen, dann mĂŒssen wir mit dem Risiko legen auch mal ein unerwĂŒnschtes Mail zu bekommen. Wollen wir immer den Versender des unerwĂŒnschten Mails fest stellen können, dann mĂŒssen wir mit einer Vorratsdatenspeicherung und Zugriffsmöglichkeiten auf diese Daten leben, die weit jenseits dessen liegen, was wir im Hinblick auf PrivatsphĂ€re und Postgeheimnis hinnehmen wollen und sogar weit darĂŒber hinaus gehen, was die verrĂŒcktesten Innenminister in nicht mehr feuchten sondern schon nassen TrĂ€umen an Vorstellungen entwickeln.
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